Warum Patientenverfügungen unwirksam werden - und wie Sie das vermeiden
Zusammenfassung
Eine Patientenverfügung ist nur dann wirksam, wenn sie präzise formuliert ist und konkrete Behandlungswünsche für spezifische medizinische Situationen enthält. Allgemeine oder ungenaue Aussagen führen häufig dazu, dass der eigene Wille im Ernstfall nicht berücksichtigt wird. Regelmäßige Aktualisierungen und fachliche Beratung helfen, eine rechtlich gültige und praktisch anwendbare Verfügung zu erstellen.
Eine gültige Patientenverfügung bedeutet nicht automatisch, dass sie im Notfall auch wirksam ist. Viele Menschen in Deutschland vertrauen auf ihre vorhandene Patientenverfügung, ohne zu wissen, dass diese im Ernstfall möglicherweise nicht angewendet werden kann. Studien zeigen, dass nur etwa jede fünfzigste Patientenverfügung im Notfall tatsächlich wirksam wird. Die Gründe hierfür sind vielfältig, meist aber auf inhaltliche Mängel zurückzuführen.

Der Unterschied zwischen Gültigkeit und Wirksamkeit
Eine Patientenverfügung kann rechtlich gültig, aber dennoch unwirksam sein. Diese Unterscheidung ist für Sie grundlegend wichtig.
Was macht eine Patientenverfügung rechtlich gültig?
Für die rechtliche Gültigkeit einer Patientenverfügung müssen laut § 1827 BGB lediglich vier Voraussetzungen erfüllt sein:
- Sie müssen volljährig sein
- Sie müssen einwilligungsfähig sein
- Die Verfügung muss schriftlich vorliegen
- Sie müssen die Verfügung eigenhändig unterschreiben
Eine notarielle Beglaubigung oder die Erstellung mit anwaltlicher Hilfe ist nicht zwingend erforderlich. Die Einhaltung dieser formalen Kriterien macht Ihre Patientenverfügung also rechtlich gültig - aber noch lange nicht wirksam[2].
Wann ist eine Patientenverfügung wirklich wirksam?
Eine wirksame Patientenverfügung muss bestimmte inhaltliche Anforderungen erfüllen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in mehreren Urteilen die Unwirksamkeit von Patientenverfügungen festgestellt, die zu ungenau formuliert waren[1][6].
Im Kern geht es darum, dass eine Patientenverfügung konkrete Behandlungen in spezifischen Krankheits- oder Behandlungssituationen beschreiben muss. Sie sollte Ärzt:innen klare, unmissverständliche Handlungsanweisungen geben und Interpretationsspielräume vermeiden[6].
Häufige Gründe für unwirksame Patientenverfügungen
1. Zu allgemeine Formulierungen
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom Juli 2016 (Az XII ZB 61/16) die Patientenverfügung einer Frau für unwirksam erklärt, weil deren Inhalt zu ungenau war[1]. Formulierungen wie “keine lebensverlängernden Maßnahmen” oder “ein würdevolles Sterben ermöglichen” sind zu unpräzise und lassen zu viel Interpretationsspielraum.
Beispiel einer unwirksamen Formulierung: “Ich möchte würdevoll sterben”
Das Problem: Jeder Mensch versteht unter würdevollem Sterben etwas anderes. Ärzt:innen können aus dieser Formulierung nicht ableiten, welche konkreten Maßnahmen Sie ablehnen oder wünschen.
2. Widersprüchliche Aussagen
Nicht selten enthalten Patientenverfügungen widersprüchliche Aussagen, die im Ernstfall zu Auslegungsschwierigkeiten führen können.
Beispiel: Sie stimmen einerseits einer künstlichen Beatmung zu, lehnen andererseits aber lebenserhaltende Maßnahmen generell ab[5].
Solche Widersprüche führen dazu, dass Ärzt:innen im Zweifel für das Leben entscheiden und lebenserhaltende Maßnahmen durchführen - möglicherweise gegen Ihren eigentlichen Willen[1].
3. Unvollständige Angaben
Viele Patientenverfügungen sind unvollständig und bieten den behandelnden Ärzt:innen im Notfall keine ausreichende Entscheidungshilfe. Eine wirksame Patientenverfügung sollte alle relevanten medizinischen Situationen und die jeweils gewünschten oder abgelehnten Behandlungsoptionen umfassen.
4. Veraltete Dokumente
Das Leben bringt Veränderungen mit sich, und mit ihm können sich auch Ihre Vorstellungen zur medizinischen Behandlung ändern. Eine nicht aktualisierte Patientenverfügung spiegelt möglicherweise nicht mehr Ihre aktuellen Wünsche wider[5].
Eine Patientenverfügung kann jederzeit ohne Angabe von Gründen widerrufen werden. Dies macht die darin festgelegten Anweisungen und die Verfügung als Ganzes ungültig[5].
So erstellen Sie eine wirksame Patientenverfügung
Präzise Formulierungen verwenden
Der Bundesgerichtshof fordert in seinen Urteilen, dass die gewünschten oder abgelehnten Maßnahmen konkret beschrieben sein müssen[6]. Ihre Patientenverfügung sollte deutlich machen, in welcher Behandlungssituation welche Maßnahmen gewünscht oder abgelehnt werden.
Geben Sie konkrete Auskunft zu:
- Schmerzbehandlung
- Wiederbelebung
- Künstlicher Ernährung
- Künstliche Beatmung
- Dialyse
- Bluttransfusionen
- Gabe von Antibiotika
Krankheitsbilder und Situationen konkret benennen
Eine wirksame Patientenverfügung beschreibt nicht nur die gewünschten oder abgelehnten Maßnahmen, sondern auch die Situationen, in denen diese gelten sollen[10]. Nennen Sie konkrete Krankheitsbilder oder medizinische Zustände wie:
- Irreversibles Koma
- Schwere Demenzerkrankung
- Unheilbare, zum Tode führende Erkrankung
- Schwere Hirnschädigung ohne Aussicht auf Besserung
Fachliche Beratung in Anspruch nehmen
Da es für medizinische Laien schwierig ist, präzise und fachlich korrekte Formulierungen zu finden, empfiehlt sich die Erstellung mit Hilfe medizinischer Fachpersonen. Besprechen Sie Ihre Patientenverfügung mit Ihrem Hausarzt oder Ihrer Hausärztin oder ziehen Sie spezialisierte Berater:innen hinzu[5].
Regelmäßige Aktualisierung vornehmen
Eine Patientenverfügung sollte regelmäßig überprüft und bei Bedarf aktualisiert werden, um sicherzustellen, dass sie Ihren aktuellen Wünschen entspricht[5]. Experten empfehlen eine Überprüfung alle ein bis zwei Jahre sowie nach einschneidenden Lebensereignissen oder Veränderungen des Gesundheitszustands.
Tipp: Versehen Sie jede Aktualisierung mit Datum und Unterschrift, um zu dokumentieren, dass die Verfügung Ihren aktuellen Willen wiedergibt.
Vorsorgevollmacht ergänzend erstellen
Eine Vorsorgevollmacht kann Ihre Patientenverfügung sinnvoll ergänzen[8]. Durch sie benennen Sie eine Vertrauensperson, die in Ihrem Sinne entscheiden kann, wenn Ihre Patientenverfügung für eine bestimmte Situation keine eindeutigen Anweisungen enthält.
Wichtig: Auch bei einer Vorsorgevollmacht müssen die Wünsche zur medizinischen Behandlung präzise formuliert sein[1], damit die bevollmächtigte Person Ihren Willen kennt und durchsetzen kann.
Elektronische Patientenakte als zusätzliche Absicherung
Seit dem 15. Januar 2025 stellen die gesetzlichen Krankenkassen allen Versicherten eine elektronische Patientenakte (ePA) zur Verfügung[3]. Sie können Ihre Patientenverfügung auch in dieser hinterlegen, um sicherzustellen, dass sie im Notfall schnell gefunden wird.
Die ePA ermöglicht es, dass Ihre Gesundheitsdaten digital verfügbar sind und von behandelnden Ärzt:innen eingesehen werden können, sofern Sie dies erlauben[3].
Fazit: Mit einer präzisen Patientenverfügung Ihren Willen sichern
Eine Patientenverfügung ist ein zentrales Instrument für Ihre Selbstbestimmung in medizinischen Fragen, wenn Sie sich selbst nicht mehr äußern können. Damit sie im Ernstfall auch tatsächlich wirksam ist, sollten Sie auf präzise Formulierungen achten, konkrete Situationen und Maßnahmen beschreiben und das Dokument regelmäßig aktualisieren.
Denken Sie daran: Nur eine wirksame Patientenverfügung garantiert, dass Ihr Wille im Ernstfall auch tatsächlich berücksichtigt werden kann. Eine Beratung durch medizinisches Fachpersonal kann Ihnen helfen, eine Patientenverfügung zu erstellen, die sowohl rechtlich gültig als auch in der Praxis wirksam ist.