Patientenverfügung für Kinder & junge Menschen

Patientenverfügung.digital

erstellt am:

2019-06-24

letzte Änderung:

2023-07-10

„Vorsorge ist nur im Alter wichtig.“ Ein weitverbreiter Irrtum, der für junge Menschen fatale Folgen haben kann. Ob Schüler, Student oder Azubi: Wir verraten Ihnen, warum auch junge Menschen mit einer Patientenverfügung vorsorgen sollten.

junge Menschen eine Patientenverfügung

Stellen Sie sich vor:

Sie haben haben einen schweren Verkehrsunfall. Sie landen mit Blaulicht in der Notaufnahme, das Adrenalin schießt durch Ihren Körper. Noch spüren Sie keine Schmerzen – aber Ihr Zustand verschlechtert sich mit jeder Minute. Die Ärzte werden nervös; Sie werden nervöser. Sie sehen das Blut. Sie schließen die Augen und verlieren das Bewusstsein. Um Ihr Leben zu retten, versetzen Ärzte Sie in ein künstliches Koma.

Wie geht es weiter? Sondenernährung, Dialyse und künstliche Beatmung? Oder ein Abschalten der Geräte, da keine Heilungschancen bestehen? Weil Sie keine Patientenverfügung verfasst haben, müssen das nun Ihre Liebsten entscheiden. Eine schwere Last für Menschen, die mit der Situation sowieso überfordert sind.

Ob Unfall oder schwere Erkrankung: Solche Horrorszenarien können jeden Treffen. Zu jeder Zeit. Überall. Das ist kein schöner, aber ein wichtiger Gedanke. Das Schicksal kann auch junge Leben auf den Kopf stellen. Mit einer Patientenverfügung können sich junge Menschen absichern.

Es geht um mehr als Vorsorge

Es geht auch um Selbstbestimmung. Eine Patientenverfügung ist Ihre Chance Ärzten Ihre Wünsche mitzuteilen, obwohl Sie dazu eigentlich nicht mehr in der Lage sind. Mit einer Patientenverfügung können Sie über Ihr Leben bestimmen, obwohl Sie eigentlich keine Entscheidungen mehr treffen können! Ob jung oder alt: Selbstbestimmung ist ein hohes Gut für Menschen jeder Altersstufe.

Wer keine Patientenverfügung verfasst, lässt anderen die Entscheidung über das eigene Leben.

Oder den eigenen Tod.

Was regelt die Patientenverfügung?

In einer Patientenverfügung können Sie festlegen, welche medizinischen und pflegerischen Maßnahmen Sie im Notfall wünschen oder ablehnen. Möchten Sie zum Beispiel künstlich ernährt werden? Möchten Sie, dass Ärzte alles tun, um Ihr Leben um jeden Preis zu verlängern – oder ist Ihnen Lebensqualität wichtiger als ein möglichst langes Leben?

Das und mehr regeln Sie in einer Patientenverfügung. Seit 2009 sind solche Patientenverfügungen für Ärzte bindend. Wer eine gültige Patientenverfügung missachtet, macht sich vor deutschem Recht strafbar.

Diese 5 Fragen sollten Sie bedenken

Eine Patientenverfügung gilt nicht nur für die Sterbephase, sondern in jedem Krankheitsstadium. Mit den folgenden fünf Fragen sollten Sie sich beschäftigen, wenn Sie eine Patientenverfügung verfassen:


1. Was soll passieren, wenn Sie auf der Intensivstation liegen?
2. Was soll passieren, wenn Sie sich zwischen Lebensqualität oder Lebenslänge entscheiden müssen?
3. Was soll passieren, wenn Sie längere Zeit im Koma liegen?
4. Was soll passieren, wenn Sie kurz vorm Sterben sind?
5. Was soll passieren, wenn Sie wegen Störungen im Gehirn nicht mehr klar denken können?

Was muss ich außerdem beachten?

  • Sie können Ihre Patientenverfügung jederzeit ändern oder widerrufen. Gerade als junger Mensch ändern sich Ansichten und Wünsche häufig mit der Zeit. Oder es gibt neue medizinische Behandlungsmethoden, die Sie in Ihrer Verfügung berücksichtigen möchten.

  • Formulieren Sie Ihre Patientenverfügung so spezifisch und konkret wie möglich. Allgemeine oder unklare Formulierungen können Patientenverfügung unwirksam machen. Meiden Sie daher allgemeine kostenlose Vorlagen zum Ausdrucken.

  • Sprechen Sie mit Ihrer Familie, Freunden oder Angehörigen. Ihre Familie muss wissen, dass Sie eine Patientenverfügung verfasst haben – und wo diese im Ernstfall zu finden ist. Außerdem können Sie Ihren Liebsten im persönlichen Gespräch Ihre Wünsche in der Patientenverfügung erläutern.

So sichern Sie sich mit einer Patientenverfügung ab. Doch was passiert, wenn Sie nach der Krankheit oder einem Unfall nicht mehr auf die Beine kommen? Wenn Sie dauerhaft auf fremde Hilfe angewiesen sind – und sich um Ihre Finanzen, Wohnangelegenheiten, Verträge & Co. nicht mehr selbst kümmern können?

Patientenverfügung klug kombinieren

Neben der Patientenverfügung gehört die Vorsorgevollmacht zu den wichtigsten Vorsorgedokumenten. Mit einer Vollmacht bestimmen Sie eine Person, die Sie bei Geschäftsunfähigkeit in verschiedenen Angelegenheiten vertreten kann – auch vor Gericht.  Das ist nicht nur wichtig, damit Ihr Leben nicht komplett aus den Fugen gerät.

Eine Vorsorgevollmacht vermeidet auch einen gesetzlichen Betreuer, der Ihr weiteres Leben regelt. Anders als häufig angenommen, sind Angehörige nicht automatisch entscheidungsberechtigt. Ohne Vorsorgevollmacht bestimmt das Gericht, wer Sie vertreten wird!

Wie wählen Sie Ihren Bevollmächtigten?

Sie müssen Ihrem Bevollmächtigten 100% vertrauen können. Meist findet sich eine solche Person in der Familie, bei engen Freunden oder Angehörigen. In der Vorsorgevollmacht können Sie genau festlegen, in welchen Angelegenheiten die Person Sie vertreten darf – empfehlenswert sind so viele Lebenssituationen wie möglich. Das garantiert eine umfassende Absicherung.

Tipp: Wie die Patientenverfügung können Sie die Vollmacht jederzeit widerrufen. Das geschieht formlos – setzen Sie einfach eine neue Vollmacht auf und/oder zerstören Sie die alte Vollmacht.

Patientenverfügung für Kinder:

Das sollten Eltern beachten

1. Kinder können keine Patientenverfügung verfassen

Grundsätzlich können Minderjährige in Deutschland einem medizinischen Eingriff zustimmen oder ablehnen. Das entschied der Bundesgerichtshof bereits 1958 – zumindest „wenn der Minderjährige nach seiner geistigen und sittlichen Reife die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und seiner Gestattung zu ermessen vermag."

Die moderne Patientenverfügung berücksichtigt dies jedoch nicht.  Nach § 1901a Abs. 1 S. 1 BGB muss der Verfasser einer Patientenverfügung volljährig sein. Demnach können Kinder grundsätzlich keine Patientenverfügung verfassen. Das wirft einige Fragen auf – zum Beispiel:

  • Wie können schwerkranke Minderjährige in Deutschland eine verbindliche Entscheidung über das eigene Lebensende treffen?
  • Was passiert, wenn der behandelnde Arzt sich an eine nicht wirksame Patientenverfügung eines Minderjährigen orientiert?
  • Macht sich der behandelnde Arzt strafbar, wenn er sich über die Wünsche des Minderjährigen hinwegsetzt?
  • Wie wird das verfassungsrechtliche Selbstbestimmungsrecht für Minderjährige dann umgesetzt?

Übrigens: Unsere Nachbarstaaten zeigen, dass es auch anders geht. In Österreich kann zum Beispiel jeder normal entwickelte Minderjährige ab 14 Jahren eine Patientenverfügung verfassen. Die Schweiz koppelt die Patientenverfügung ebenfalls nicht an die Volljährigkeit, sondern an die Urteilsfähigkeit der Minderjährigen.

2. So können Minderjährige trotzdem abgesichert werden

Wenn Minderjährige einwilligungsfähig sind, ist eine entsprechende Verfügung trotzdem möglich. Dann sind nicht die Entscheidungen Dritter maßgeblich – nach rechtlicher Sicht spielen dann vor allem die Wünsche des Minderjährigen eine Rolle. Gemäß Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes steht diese Einwilligung auch vor dem Sorge- und Stellvertretungsrecht der Eltern.

Neben der Einwilligungsfähigkeit gibt es keine gesetzlichen Vorgaben für eine solche Erklärung. Wie bei einer Patientenverfügung sollten die Minderjährigen ihre Behandlungswünsche jedoch schriftlich verfassen.

Wichtig: Trotzdem handelt es sich dabei um keine gesetzlich bindende Patientenverfügung – inwiefern die Wünsche des Minderjährigen im Ernstfall tatsächlich berücksichtigt werden, ist mindestens zweifelhaft. Zudem müssen Eltern den Behandlungswunsch nicht beachten, wenn das Kind später nicht mehr einwilligungsfähig ist.

3. Tipps für Eltern bei nicht einwilligungsfähigen Kindern

Was passiert, wenn das Kind aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalls nicht mehr einwilligungsfähig ist? Hier sind 4 grundlegende Tipps:

  • Eltern können eine entsprechende Verfügung in Absprache mit den Ärzten erstellen. Die Verfügung sollte so konkret wie möglich formuliert werden. Daher sollte man allgemeine Muster und Vorlagen meiden. Die Verfügung sollte auch beinhalten, warum man verschiedene Maßnahmen möchte oder ablehnt – und die bisherige Krankheitsgeschichte der Kinder kurz zusammenfassen.
  • Viele Eltern sind verständlicherweise überfordert, wenn es um einen möglichen Abbruch von lebenserhaltenden Maßnahmen des eigenen Kindes geht. Hier ist es an den Ärzten, die Eltern zu entlasten – und zu erklären, dass es nicht nur um eine elterliche, sondern für das Wohl des Kindes auch um eine medizinisch sinnvolle Entscheidung geht.
  • Eltern sollten gemeinsam mit den behandelnden Ärzten festlegen, was bei verschiedenen Verläufen der Krankheit medizinisch zu tun ist. Wenn das Kind einvernehmungsfähig ist,  sollten die Wünsche des Kindes dabei natürlich berücksichtigt werden.
  • Eltern eines schwerkranken Kindes sollten mit Ärzten regelmäßig über den möglichen Verhandlungsverlauf sprechen – und bei Bedarf Wünsche bezüglich der Behandlung und Pflege anpassen. Wir empfehlen ein solches Gespräch alle 6 Monate – schließlich können sich Wünsche und Behandlungsmethoden ändern.

Übrigens: Ein Betreuer oder ein Vorsorgebevollmächtigter hat grundsätzlich die Pflicht, einer Patientenverfügung Geltung zu verschaffen. Eltern eines minderjährigen Kindes haben eine solche Verpflichtung nicht. Die Eltern müssen beim Sorgerecht lediglich die wachsenden Fähigkeiten und die Selbstständigkeit des Kindes berücksichtigen (§ 1626 Abs. 2 BGB).

4. Was passiert bei einem Streitfall?

Eltern widersprechen der Behandlungserklärung eines Minderjährigen und weisen den Arzt an, sich über die Entscheidung des Minderjährigen hinwegzusetzen? Dann entscheidet meist das Gericht. Dabei steht das Kindswohl im Fokus – in vielen Fällen kann das Gericht dem Willen des Minderjährigen Geltung verschaffen. Grundsätzlich strebt das Gericht nach einer Balance zwischen Selbstbestimmungsrecht und Recht der Personensorge der Eltern.

Fazit

Vorsorge ist für junge Menschen wichtig, weil Krankheit und Unfälle jeden treffen können. Mit einer Patientenverfügung sichern Sie sich Selbstbestimmung, obwohl Sie nicht mehr geschäftsfähig sind – und nehmen Angehörigen in turbulenten Zeiten Last von den Schultern. Mit einer Vorsorgevollmacht bestimmen Sie einen Vertreter, der bei Geschäftsunfähigkeit über Ihre Angelegenheiten entscheiden kann. Junge Eltern sollten außerdem an eine finanzielle Vorsorge und eine Sorgerechtsverfügung denken. Wie sagt man im Englischen? „Better safe than sorry!“

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