Kritik an der Christlichen Patientenverfügung

Zusammenfassung

Die Christliche Patientenverfügung wird wegen rechtlicher Schwächen, einer eingeschränkten Reichweite, mangelnder Praxisnähe und unzureichender Berücksichtigung von Situationen wie Demenz oder Wachkoma kritisiert. Besonders problematisch ist, dass sie nicht die gesetzlichen Vorgaben für Patientenverfügungen vollständig umsetzt und Unsicherheiten bei der Anwendung schafft. Betroffene sollten Alternativen prüfen und ihre Verfügung sorgfältig sowie individuell erstellen.

Die Christliche Patientenverfügung gehört zu den bekanntesten Vorsorge­dokumenten in Deutschland. Seit ihrer ersten Veröffentlichung durch die evangelischen und katholischen Kirchen Deutschlands wurde sie millionenfach genutzt. Dennoch steht sie immer wieder in der Kritik von Fach­leuten und Patienten­schutz­organisationen. Diese Kritik bezieht sich auf verschiedene Aspekte der Verfügung, von ihrer rechtlichen Wirksamkeit bis hin zu ethischen Grundsätzen und praktischen Anwendungs­problemen[2][6].

Mann in einem Büro, der an einem Laptop arbeitet, umgeben von Pflanzen und Regalen mit Büchern und Dekoration.

Die rechtliche Problematik der Christlichen Patientenverfügung

Eines der Hauptprobleme, das Kritiker:innen der Christlichen Patienten­verfügung anführen, betrifft die rechtliche Wirksamkeit des Dokuments. Die Patienten­schutz­organisation Deutsche Hospiz Stiftung kam in einem umfassenden Rechts­gutachten zu dem Ergebnis, dass die “Christliche Patienten­vorsorge” grundlegende rechtliche Wertungen verkenne und einen kaum zu behebenden konstruktiven Grundfehler aufweise[2].

Der Bochumer Medizin­ethiker Prof. Dr. Hans-Martin Sass bezeichnete die Christliche Patienten­verfügung bereits 1999 als “rechtlich wirkungs­los, die ethisch eine falsche und trügerische Sicherheit vortäuscht und klinisch mehr Probleme schafft als sie löst”[8]. Diese grund­legende Kritik hat sich über verschiedene Versionen der Verfügung hinweg gehalten.

Das Problem der Reichweiten­begrenzung

Ein zentraler Kritik­punkt betrifft die sogenannte “Reichweiten­begrenzung” in der Christlichen Patienten­verfügung. Kritiker:innen werfen den Kirchen vor, diese Begrenzung “durch die Hintertür” einzuführen[2]. Bei der Reichweiten­begrenzung wäre eine Patienten­verfügung nur für die Ärzt:innen bindend, wenn sich der Patient oder die Patientin in der unmittelbaren Sterbe­phase befände oder im End­stadium einer unheil­baren, tödlich verlaufenden Krankheit[2][6].

Diese Einschränkung entspricht nicht dem seit 2009 geltenden Gesetz zu Patienten­verfügungen, das das Selbst­bestimmungs­recht des Einzelnen betont und Patienten­verfügungen ohne Einschränkung - also unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung - für verbindlich erklärt[6]. Die Deutsche Hospiz Stiftung kritisiert daher, dass die kirchliche Handreichung sich auf Patienten im Sterbe­prozess und auf das End­stadium einer unheil­baren Krankheit beschränke, während laut Gesetz Patienten­verfügungen ohne Beschränkung gültig sind[6].

Mangelnde Praxis­tauglichkeit und unzureichende Anwendungs­hilfen

Ein weiterer Kritik­punkt bezieht sich auf die fehlende Praxis­nähe der Christlichen Patienten­verfügung. In der 2018 veröffentlichten Version wird bemängelt, dass diese zu wenig praxis­orientiert sei und nicht die Chance nutze, “die Fakten sachlich zu vermitteln und praxis­nahe Hilfe beim individuellen Ausfüllen der Vordrucke zu geben”[8].

Besonders problematisch erscheint vielen Kritiker:innen, dass die Christliche Patienten­verfügung für häufig vorkommende Situationen wie eine schwere Demenz “keine überzeugenden Hinweise” biete[6]. Dies ist ein erheblicher Mangel, da Demenz­erkrankungen zu den häufigsten Gründen gehören, weshalb Menschen ihre Entscheidungs­fähigkeit verlieren können.

Unzureichende Berücksichtigung von Wachkoma und Demenz

Die Kritik an der Christlichen Patienten­verfügung hebt hervor, dass sie für bestimmte Konstellationen wie Wachkoma oder Alzheimer-Demenz nicht ausreichend anwendbar sei[2]. Dies wird als besonders problematisch angesehen, da es sich hierbei um Zustände handelt, für die viele Menschen vorsorgen möchten.

Interessanterweise wird in der Handreichung der Kirchen zur Patienten­verfügung deutlich, dass evangelische und katholische Kirche zum Thema Wachkoma unterschiedliche Ansichten vertreten. Die evangelische Kirche sieht in gewissen Fällen die Möglichkeit, auch bei Wachkoma­patienten alle Behandlungen abzubrechen[6], während die katholische Position hier zurückhaltender ist.

Terminologische Kritik: Der Begriff "Sterbehilfe"

Auch an der verwendeten Terminologie gibt es Kritik. Der Begriff “Sterbehilfe” taucht in der Christlichen Patienten­vorsorge an mehreren Stellen auf, was von Kritiker:innen als “verwässernder Euphemismus” angesehen wird[8]. Dies sei in der politischen Diskussion um Sterbe­begleitung schädlich, da die meisten Menschen unter dem Begriff “Sterbehilfe” eine Lebens­verkürzung und nicht die Begleitung von Sterbenden verstünden[8].

Die Einordnung der Beihilfe zur Selbst­tötung

In der Version von 2018 wird auch die Einordnung der Beihilfe zur Selbst­tötung kritisch betrachtet. Seit 2016 gibt es ein Gesetz zum Verbot geschäfts­mäßiger Beihilfe zur Selbst­tötung (§ 217 StGB), das von verschiedenen Interessen­gruppen hart umkämpft ist[8]. Kritiker:innen bemängeln, dass die Christliche Patienten­vorsorge den Akteuren in der aktuellen politischen Diskussion keine Unterstützung für eine angemessene Entscheidung gegen eine geschäfts­mäßige Beihilfe zur Selbst­tötung biete, sondern im Gegenteil eher Unsicherheiten verstärke[8].

Gegenpositionen und Verteidigung der Christlichen Patienten­verfügung

Es gibt auch Stimmen, die einige der Kritik­punkte an der Christlichen Patienten­verfügung für unberechtigt halten. Ein Argument lautet, dass man bei der Benutzung des Formulars nicht gezwungen sei, “die Behandlungs­wünsche nur auf den Sterbe­prozess oder die Endphase einer tödlichen Krankheit zu begrenzen”[7]. Die Verfügung stelle sich auch nicht auf den Standpunkt, eine Reichweiten­begrenzung sei in jedem Fall christlich geboten[7].

Verteidiger:innen der Christlichen Patienten­verfügung weisen darauf hin, dass die ethische Frage der Reichweiten­begrenzung sich zweifellos im Blick auf die Demenz stellt. Die Ausarbeitung der Kammer für Öffentliche Verantwortung “Sterben hat seine Zeit. Überlegungen zum Umgang mit Patienten­verfügungen aus evangelischer Sicht” habe jedoch Vorbildliches hierzu geleistet und unterscheide zwischen leichteren und schwereren Fällen von Demenz[7].

Alternativen zur Christlichen Patienten­verfügung

Angesichts der Kritik an der Christlichen Patienten­verfügung stellt sich die Frage nach Alternativen. Die Deutsche Hospiz­stiftung bietet beispielsweise eigene Patienten­verfügungs­modelle an, die nach eigenen Angaben praxis­tauglicher sind[9]. Auch der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) hat seine Modelle an die Erfordernisse der Praxis angepasst und verbessert[9].

Wichtig für Sie als Betroffene:r oder Angehörige:r ist, dass Sie sich über die verschiedenen Möglich­keiten informieren und eine für Sie passende Form der Patienten­verfügung wählen. Eine medizinisch-fachkundige Beratung kann dabei hilfreich sein[9].

Die Bedeutung einer qualitativ hochwertigen Patienten­verfügung

Die Diskussion um die Christliche Patienten­verfügung macht deutlich, wie wichtig eine qualitativ hochwertige Patienten­verfügung ist. Qualitäts­mängel können dazu führen, dass eine Patienten­verfügung nicht wirksam wird oder sogar riskant sein kann[9].

Besonders wichtig ist, dass eine Patienten­verfügung auch Situationen unterhalb der Grenze des Bewusstseins­verlusts berücksichtigt, etwa bei Demenz oder schweren Hirn­schädigungen, wenn man noch selbst schlucken kann[9]. Die Deutsche Hospiz­stiftung rügt die Christliche Patienten­verfügung als “untauglich” aufgrund solcher Qualitäts­mängel[9].

Was Sie bei der Erstellung einer Patienten­verfügung beachten sollten

Wenn Sie eine Patienten­verfügung erstellen möchten, bedenken Sie folgende Punkte:

Rechtliche Grundlagen kennen

Informieren Sie sich über die aktuellen gesetzlichen Bestimmungen zu Patienten­verfügungen, die in § 1827 BGB verankert sind. Das Gesetz betont das Selbst­bestimmungs­recht des Einzelnen und macht Patienten­verfügungen ohne Einschränkung - also unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung - verbindlich[6].

Vorsorge­vollmacht und Betreuungs­verfügung einbeziehen

Die Kirchen raten in ihrer Broschüre dazu, nicht nur eine Patienten­verfügung abzufassen, sondern auch eine Vorsorge­vollmacht und eine Betreuungs­verfügung auszustellen[6]. Dieser Rat ist unabhängig von der Kritik an der Christlichen Patienten­verfügung zu befürworten, da so frühzeitig Vertrauens­personen als Bevoll­mächtigte und rechtliche Betreuer:innen benannt werden können.

Ärztliche Beratung in Anspruch nehmen

Eine ärztliche Beratung beim Ausfüllen des Formulars kann sehr hilfreich sein, auch wenn diese gesetzlich nicht vorgeschrieben ist[6]. Ein ärztliches Gespräch kann dazu beitragen, dass die in der Patienten­verfügung getroffenen Entscheidungen auf fundiertem Wissen basieren.

Regelmäßige Aktualisierung

Über­prüfen Sie Ihre Patienten­verfügung regelmäßig und aktualisieren Sie sie bei Bedarf. Ansichten und Wünsche können sich im Laufe der Zeit ändern, und eine Patienten­verfügung sollte immer Ihren aktuellen Willen widerspiegeln.

Fazit zur Kritik an der Christlichen Patienten­verfügung

Die Christliche Patienten­verfügung steht in der Kritik wegen ihrer rechtlichen Wirksamkeit, der Reichweiten­begrenzung, der mangelnden Praxis­tauglichkeit und unzureichenden Anwendungs­hilfen sowie der problematischen Terminologie. Es gibt jedoch auch Stimmen, die einige dieser Kritik­punkte für unberechtigt halten.

Für Sie als Betroffene:r oder Angehörige:r ist es wichtig, sich über die verschiedenen Möglich­keiten zu informieren und eine für Sie passende Form der Patienten­verfügung zu wählen. Eine qualitativ hochwertige Patienten­verfügung, die auch Situationen wie Demenz oder schwere Hirn­schädigungen berücksichtigt, kann dazu beitragen, dass Ihr Wille auch dann respektiert wird, wenn Sie sich selbst nicht mehr äußern können.