BGH-Urteil: Deshalb muss Ihre Patientenverfügung präzise formuliert sein

Patientenverfügung.digital

erstellt am:

2018-12-12

letzte Änderung:

2023-01-10

Bereits im Juli 2016 fällte der Bundesgerichtshof ein weitreichendes Urteil: Die Patientenverfügung einer Frau wurde aufgrund von unklaren Formulierungen als unwirksam erklärt. 7 Monate später präzisierte der BGH sein Urteil – wirksame Patientenverfügungen müssen konkrete Behandlungs- und Lebenssituationen festlegen! Wir erklären Ihnen die Hintergründe und was die Urteile für Ihre Patientenverfügung bedeuten.

Wie kam es zu den BGH-Urteilen?

  • Juli 2016 (Az XII ZB 61/16)
    Eine Frau gab in Ihrer Patientenverfügung eine „Ablehnung lebensverlängernder Maßnahmen“ an. Eine so pauschale Aussage ließ den Ärzten jedoch viel Interpretationsspielraum – was war gemeint? Vielleicht eine Reanimation? Eine künstliche Beatmung? Oder bereits eine künstliche Ernährung über eine Magensonde? Wusste die Frau überhaupt, dass ein kleiner Plastikschlauch im Magen bereits eine lebensverlängernde Maßnahme sein kann? Der Bundesgerichtshof war sich nicht sicher und erklärte die Patientenverfügung für unwirksam.
  • Februar 2017(XII ZB 604/15)
    Eine Patientin im Wachkoma wurde jahrelang künstlich ernährt. In Ihrer Patientenverfügung gab Sie an, dass Sie keine lebensverlängernden Maßnahmen wünscht, wenn keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht – daraus könnte man schließen, sie wünscht den Abbruch der künstlichen Ernährung. Gleichzeitig lehnte die Frau in Ihrer Patientenverfügung jedoch aktive Sterbehilfe ab – was dem Unterlassen der künstlichen Ernährung widerspricht. Was also tun? Der Bundesgerichtshof bestimmte einen gesetzlichen Betreuer und befragte Betreuer, Sohn und Ehemann der Patientin – alle waren unterschiedlicher Meinung.

Übrigens: Die Anforderung für ein konkretes Benennen von medizinischen Maßnahmen gilt mittlerweile nicht nur für die Patientenverfügung, sondern auch für die Vorsorgevollmacht!

Was bedeuten die Urteile für Sie?

Nur konkrete Patientenverfügung sind wirksam! Ihre Patientenverfügung muss konkrete Formulierungen und Wünsche zu Themen wie künstlicher Ernährung, künstliche Beatmung, Schmerzbehandlung oder Organspende enthalten. Wenn Ihre Patientenverfügung medizinische und pflegerische Behandlungssituationen nur pauschal festlegt, wird ihre Willenserklärung automatisch ungültig.

Beispiel: Zu unkonkret sind Formulierungen wie „lebensverlängernde Maßnahmen unterlassen, „ein würdevolles Sterben ermöglichen“, „wenn keine Aussicht auf ein sinnvolles Leben besteht“ oder „ich will nicht an Schläuchen hängen“. In einem solchen Fall wäre die Patientenverfügung nicht bindend.

Dennoch ist eine unwirksame Patientenverfügung nicht komplett unbrauchbar. Denn im Ernstfall prüft das Gericht neben dem Inhalt der Patientenverfügung auch den Gesamtzusammenhang einer unwirksamen Patientenverfügung – so kann sich im Optimalfall doch ein eindeutiger Patientenwille ergeben.

Wie wird der Patientenwille ermittelt?

Bei einer unwirksamen Patientenverfügung setzt das Gericht meist einen Betreuer ein. Dieser ermittelt Ihren mutmaßlichen Willen und das Gericht entscheidet, ob die Entscheidung des Betreuers dem Patientenwillen entspricht. Folgende zwei Faktoren werden dabei berücksichtigt:

  • Geäußerte Behandlungswünsche
    Behandlungswünsche sind sowohl schriftliche als auch mündliche Äußerungen zu konkreten Lebens- und Behandlungssituationen. Auch wenn diese nicht zur aktuellen Lebens- und Behandlungssituation des Betroffenen passen (und nicht unmittelbar wirksam sind), können die Wünsche eventuelle Rückschlüsse bezüglich dem Patientenwillen zulassen.
  • Mutmaßlicher Patientenwille
    Durch den mutmaßlichen Patientenwillens versuchen Ärzte und Gerichte die Entscheidung im Sinne des Patienten zu treffen. Dafür ist in der Regel der gerichtlich bestimmte Betreuer zuständig, der sich auch mit Angehörigen des Betroffenen zusammensetzt. Natürlich ist ein mutmaßlicher Wille nie eindeutig und garantiert nicht, dass Ihr Wille richtig interpretiert wird.

Deshalb gilt: Wenn Sie eine sichere Vorsorge treffen möchten, sollten Sie in Ihren Vorsorgedokumenten so wenig Interpretationsspielraum wie möglich zulassen – und unbedingt auf eine rechtsgültige Patientenverfügung setzen.

Wie gelingt eine konkrete Patientenverfügung?

Ob Sie Ihre Patientenverfügung online erstellen oder gemeinsam mit Ihrem Hausarzt schreiben: Wenn Sie auf folgende zwei Punkte achten, steht einer wirksamen Patientenverfügung nichts mehr im Weg:

  • Konkrete Behandlungssituationen
    Sie müssen klar festlegen, welche Behandlungssituationen und ärztliche Maßnahmen Sie akzeptieren und welche nicht. Achten Sie vor allem darauf, dass sich Ihre Wünsche hier nicht widersprechen (wie beim oben genannten BGH-Urteil im Februar 2017).
  • Konkrete ärztliche Maßnahmen
    Die ärztlichen Maßnahmen müssen Sie in Ihrer Patientenverfügung so konkret wie möglich beschreiben. Zum Beispiel durch Angaben zu Schmerz- und Symptombehandlung, Wiederbelebung, künstliche Beatmung, künstliche Ernährung, Flüssigkeitszufuhr, Antibiotika oder Dialyse.

Tipp: Auch die beste Patientenverfügung kann unmöglich alle Fälle und Behandlungsmethoden abdecken. Deshalb empfiehlt sich immer eine zusätzliche Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung – so können Partner oder Familie bei unklaren Fragen über die ärztlichen Maßnahmen entscheiden.

Fazit zu den BGH-Urteilen

Aus welcher Sicht Sie die Urteile auch betrachten – beide Urteile des Bundesgerichtshofs sind gut und sinnvoll. Sie schaffen Klarheit für Ärzte und Familien, minimieren Interpretationsspielraum und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass der Patientenwille auch tatsächlich durchgesetzt wird. Indem nur konkrete Patientenverfügungen gültig sind, wird das Erstellen einer solchen zwar etwas aufwendiger – dafür sichern Sie sich für den Ernstfall aber besser ab. Und genau das ist schließlich der Sinn eines jeden Vorsorgedokuments. Wir empfehlen daher allgemein formulierte Vorlagen für Patientenverfügung zum Ausdrucken und Ankreuzen zu meiden.

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